Auslandssemester mal anders…

08.01.2018

Moin moin zurück aus Dar es Salaam! Aus unserem Versprechen uns in der „tropischen Adventszeit“ zu melden wurde nichts… Wie es dazu kam, soll das folgende Kapitel erklären.

„Advents-Blues“ Teil 1

So positiv der letzte Bericht von Ende November auch klingen mag, ab Anfang Dezember wendete sich das Stimmungsblatt allmählich hin zu einem regelrechten „Advents-Blues“. Verantwortlich dafür war eine Reihe von mehr oder weniger großen Gründen.

Unser Suzuki ist leider nicht der zuverlässigste und bequemste Begleiter in dieser Zeit. Mehrmals musste er sich Reparaturen unterziehen, was uns einiges an Geld und vor allem Nerven gekostet hat. Bei jeder Tour fährt immer so ein ungutes Gefühl mit, dass jeden Moment wieder etwas kaputtgehen könnte.

Auch unsere anfängliche Begeisterung über den reibungslosen Ablauf bei der Immigration verflog nach unserem 3. Besuch dort. Aus irgendwelchen Gründen hatte man uns beim letzten „Bezahl-Besuch“ falsche Informationen gegeben, sodass uns nun ein Beleg zum Bezahl-Vorgang fehlte. Und ohne Beleg keine Residence Permit 😦 Scheinbar wurden unsere Anträge noch nicht einmal angefasst! Wir sollten in 10 Tagen wiederkommen. Beim 5. Besuch merkten die Beamten plötzlich, dass wir ja ein Baby dabeihatten, welches eine gesonderte Aufenthaltserlaubnis bräuchte, die 550$ kosten sollte! Da war unsere Geduld endgültig am Ende. Man hätte durchaus bemerken können, dass wir zu dritt waren! Dazu kam noch, dass wir immer den ganzen Tag von morgens bis spät nachmittags dort verbringen mussten. Nach etlichen Diskussionen und Wartezeiten wurde wir letztendlich auf den nächsten Tag vertröstet und so fuhren wir frustriert nach Haus. Der 6. (!) Besuch dort brachte dann endlich die Erlösung. Magnus wurde einfach von unseren Anträgen gestrichen und am Ende des Tages hielten wir beide unsere Residence Permits in den Händen. Nebenbei erfuhren wir aus 2. Hand von Berichten, dass man bei Antragstellung (bspw. Reisepass) entweder den offiziellen Weg mit enormer Wartezeit (1 Jahr) gehen kann oder den Beamten der Immigration einen Umschlag mit Geld in die Hand drückt. Dann hat man sein Dokument innerhalb von zwei Wochen in der Hand. Wir haben anscheinend mit unserer Lebenszeit und Nerven bezahlt…

Um gleich beim Thema Korruption zu bleiben: Neulich gerieten wir in eine Polizeikontrolle, weil Benjamin tatsächlich mehrere Verkehrsregeln auf einmal gebrochen hat: unerlaubtes Vorhaben rechts abzubiegen, U-Turn über durchgezogene Linie und an roter Ampel links an Autos vorbeimogeln, um abzubiegen. Zunächst wollte die Polizistin 120.000 TSh (!) von uns haben, doch nach etwas Gejammer und Smalltalk („oh, sorry… we are poor students…“) konnten wir die Strafe auf 50.000 TSh runterhandeln. Da wurden wir schon etwas stutzig. Handeln bei Verkehrsvergehen? Na ja, aber als sie dann akzeptierte und sagte, dass wir keinen Beleg bekämen und es nicht unseren Freunden erzählen sollten, wussten wir wo das Geld hinwandern würde. Umso ärgerlicher war es als wir nun erfahren haben, dass man sowieso nur für EIN Delikt belangt werden kann und die Höchststrafe bei 30.000 TSh liegt. Im Stefan Loose Reiseführer zu Tansania kann man hierzu folgendes lesen:

„Tansanische Polizisten sind schlecht oder gar nicht ausgebildet, ihr Verantwortungsbewusstsein ist gering und sie fühlen sich aufgrund ihres Status übermächtig. Europäische Autofahrer […] erscheinen da oft als attraktive Geldquelle. Übrigens: Einheimische schmieren Polizeibeamte mit max. 5000 TSH und einer Flasche Coca-Cola […].“ Stefan Loose 2017, S. 81-82.

Tja, hinterher ist man immer schlauer! Und sehr schade, dass dieses Geld jetzt in der tansanischen Staatskasse fehlt, wo es möglicherweise dringend gebraucht wird.

Ras Kutani

Um uns nicht komplett die Laune verderben zu lassen und um nicht komplett in unserer Wohnung zu versauern, planten wir einen Camping-Ausflug an die Strände im Süden von Dar.

Wir packten den kleinen Suzuki voll mit Campingausstattung, Verpflegung und einigen anderen Dingen und fuhren guten Mutes Sonntag vormittags nach Süden. Mit der Fähre setzten wir nach Kigamboni über und erreichten nach ca. 10 weiteren Kilometern die Ortschaft Mjimwema.

Im Sunrise Beach Resort durften wir für ein paar Dollar unser Zelt am Strand unter Palmen aufschlagen. Wie lange haben wir auf diesen Moment gewartet… Es wehte uns eine frische bis stürmische Brise um die Nase und gelegentlich schauerte es. Doch unserer guten Stimmung tat dies keinen Abbruch. Magnus konnte frei herumkrabbeln und allerlei Strandgut erkunden, während sich die Eltern etwas zum Mittag im Restaurant bestellten. Nach Magnus Mittagsschläfchen gingen wir ein wenig am Strand spazieren und trafen etwas weiter zufällig auf ein paar von unseren Kommilitonen aus der Uni, die einen Tagesausflug hierher machten. So verbrachten wir den Nachmittag zusammen und gingen mit der Abendsonne wieder zu unserem kleinen Zelt, um ganz klassisch auf dem Spirituskocher ein kleines Abendessen zuzubereiten. Die Nacht war dann eher weniger erholsam, denn das Zelt mit der Luftmatratze stellte sich als weniger geräumig heraus als angenommen und der Wind rüttelte ganz schön stark an den Wänden. Wir waren froh als es endlich gegen 6 Uhr hell wurde und wir den neuen Tag mit Kaffee und Oatmeal vom Kocher beginnen konnten. Am frühen Vormittag waren wir abfahrbereit und planten noch zu zwei abgelegenen Luxusresorts etwas weiter südlich zu fahren, um dort als Tagesgast den Pool und das Restaurant zu nutzen. Doch allein schon die Anfahrt gestaltete sich abenteuerlich. Aus der guten Straße wurde eine grobe Schotterpiste und die letzten Kilometer Richtung Ziel führte und über hügelige Sandpfade. Wir fragten uns, wie hier die wohlbetuchten Touristen wohl hinkämen, immerhin gingen die Zimmerpreise der Resorts bei 250 $ los! Eine scheinbar private Landepiste in der Nähe könnte eine Erklärung sein. Tja, uns arme Tagesgäste mit einem schäbigen Suzuki wollten die Pförtner an den Toren jedenfalls nicht hereinlassen (wir hätten wohl vorher buchen sollen oder wahlweise horrende Eintrittspreise zahlen müssen). Exklusivität wird halt erkauft… Frustriert wollten wir es bei einem letzten, nicht ganz so exklusiven Resort versuchen. Eine gefühlte Unendlichkeit gurkten wir auf den Sandpfaden im Nirgendwo umher, bis wir auf einen Einheimischen stießen, der uns nach erfolgter „Bezahlung“ mit Süßigkeiten den Weg wies. Im Changani Beach Resort hatten wir dann kostenlosen Eintritt, eine gute Zeit am Strand im Schatten und eine leckeres Nach-Mittagessen. Gegen 15 Uhr machten wir uns wieder auf den Rückweg nach Dar, überquerten wieder die Hafeneinfahrt mit der Fähre, steckten etwas in der Rush Hour fest und erreichten vor Einbruch der Dunkelheit heil und erleichtert wieder unser trautes Heim. Fazit dieses Trips: Unser Auto ist zu klein und zu unkomfortabel für längere Fahren mit mehr als zwei Personen…

„Advents-Blues“ Teil 2

Der Ausflug nach Ras Kutani war schön, doch nur ein kleiner Lichtblick in einer ansonsten eher trüben und fast schon antriebslosen Zeit für uns. Neben den oben erwähnten Ärgernissen kamen weitere „Kleinigkeiten“, die in der Summe den Ausschlag für eine schwere Entscheidung geliefert haben. Magnus bekam mal wieder ein paar Zähne (vier auf einmal) und war streckenweise sehr schlecht drauf. Über die Sozialen Medien bekamen wir Schneebilder, Lebkuchen-Haufen und Videos von Weihnachtsdekoration aus der Heimat zugesendet, was tatsächlich Heimweh bei uns auslöste! Auch die Uni lief mehr oder weniger nebenher und trug nicht zu allgemeinen Sinnfindung bei. So stellten wir uns die Frage, was wir hier eigentlich noch sollten! Als dann noch die Nachricht einer schweren Krankheit im Familienumfeld bei uns eintraf, war die Entscheidung klar: wir werden über Weihnachten und Neujahr nach Deutschland fliegen!

Flying home for Christmas

Das beste Angebot machte uns Oman Air ab dem 14.12. nach München und am 31.12. von dort wieder zurück. Preislich war das auch in Ordnung, denn alternativ hätten wir uns hier in Tansania einen Weihnachtsurlaub gegönnt, der wohl ähnlich viel Geld gekostet hätte. Zusätzlich hatten wir uns vorgenommen unsere Angehörigen und Freunde weitestgehend NICHT zu informieren und so eine aufregende Weihnachtsüberraschung bereit zu halten. Mit einem Mietwagen flitzen wir so quer durch die Republik (über Würzburg, Hamburg, Elmshorn, Stadum und wieder zurück) und verbrachten die Feiertage im Kreise unserer völlig überraschten, aber glücklichen Familienangehörigen. Die Zeit in der deutschen Kälte bei gemütlichem Licht und allerlei Weihnachtsleckereien in netter Gesellschaft hat uns sehr gut getan und mit viel Rückenwind für die letzten zwei Monate ging es über den Jahreswechsel im Flieger zurück nach Dar! Den Übergang von 2017 zu 2018 verbrachten wir bei spektakulärem Feuerwerk über Bukarest/Rumänien.

Bei unserer Rückkehr stellten wir fest, dass das Klima in der Stadt nun angenehmer war (die Monsunwinde hatten gedreht) und auch die letzten Tage waren wieder sehr schön. Wir freuen uns auf den Besuch unserer beiden Trauzeugen und sind gespannt auf die Zeit mit den beiden. Wann wir uns wieder melden lassen wir vorerst offen…

26.11.2017

Uni-Alltag

Tja, was können wir nach vier Wochen Uni feststellen? – Unser eigentlich angestrebter Stundenplan ist ganz schön zusammengeschrumpft! Warum? Dafür gibt es mehrere Gründe.

Zunächst muss man sagen, dass die Struktur und der Aufbau des Studiums hier etwa dem entsprechen, was wir aus Deutschland kennen. Es gibt Vorlesungen und thematisch dazugehörige Seminare. Der größte Unterschied ist eigentlich die Anzahl an Klausuren, denn da schreibt man gleich zwei pro Vorlesung! Ähnlich wie zu Hause meldet man sich vorab in einem Online-System für Kurse an und bastelt sich einen passenden Stundenplan zusammen. Und hier fingen die Probleme für uns in zweierlei Hinsicht an.

Erstens mussten wir unsere Veranstaltungen so wählen, dass immer jemand von uns auf Magnus aufpassen kann. Überschneidungen waren also nicht drin. Dazu wurden wir in der Orientation Week gewarnt, dass sich in den ersten vier Wochen immer noch die Termine für Vorlesungen und Seminare ändern und man deshalb täglich in den Online-Timetable schauen sollte.

Benjamin hatte sich als Kernveranstaltung „History of East Africa“ herausgesucht, während Antonia gerne eine Vorlesung zu „Tourism and Leisure“ besuchen wollte. Das passte auch soweit, doch zudem stand auch ein Swahili-Sprachkurs ganz oben auf unserer Liste. Leider wurde (entgegen unserer vorherigen Informationen) nur ein „Fortgeschrittenen-Kurs“ angeboten, der dazu auch noch parallel zur Vorlesung „History of East Africa“ am Donnerstagvormittag stattfinden sollte! Nun mussten wir Prioritäten setzen und da alle Optionen (Terminverlegung des Kurses, Zustandekommen eines Anfänger-Kurses, Teilnahme MIT Magnus im Kurs, bzw. Vorlesung) scheiterten, blieb nur die Möglichkeit, uns die Basics in Swahili selbst beizubringen.

Durch einen Glücksfall bekam Benjamin noch die Möglichkeit am sogenannten „Kimambo-Seminar“ (eine Art Abschluss-Kolloquium) teilzunehmen und dort demnächst seine eigene Masterarbeit vor der Professorenschaft des „Departments of History“ und interessierten Hörern vorzustellen. Dies hatte er Reginald zu verdanken, der als Doktorand aus Tansania an die Uni Hamburg gekommen war und beim selben Professor, bei dem Benjamin seine Masterarbeit schreibt, seine Dissertation absolvieren wird. Die beiden kannten sich also aus Hamburg und Reginald war momentan hier in Dar um Feldforschung für sein Projekt durchzuführen.

Anders als die Vorlesungen haben die Seminare übrigens bis dato noch nicht inhaltlich begonnen, was uns etwas gewundert hat. Schließlich sind ja schon vier Wochen Semester um… Nebenbei mussten wir uns übrigens weiterhin um unsere „Resident Permit“ kümmern. Nachdem wir vor zwei Wochen ENDLICH alle Dokumente beisammenhatten, konnten wir gemeinsam mit unseren Kommilitonen Lola und Till zum „Immigration Office“ im Süden von Dar es Salaam fahren. Dort haben wir alles abgegeben, um dann wiederum zwei Wochen später zum bezahlen (250 US$ pro Person!) erneut dort zu erscheinen. Und welche Überraschung: In 10 Tagen folgt dann der dritte Ausflug dahin und wir dürfen (hoffentlich) diese „Resident Permit“ abholen. Man man, was für ein Aufwand…

So bleibt unser Stundenplan mit zwei Uni-Tagen doch sehr übersichtlich, was uns aber nicht sonderlich stört. Mit Magnus auf dem Campus zieht man doch deutlich mehr interessierte, neugierige und verwunderte Blicke auf sich als in Hamburg und so richtig entspannt ist es bei der Wärme (Hitze) mit ihm sowieso nicht. So muss der Kleine nur am Mittwoch mit, wenn Antonia ihre Vorlesung hat. Am Donnerstag ist Benjamin dann den ganzen Tag alleine in der Uni.

Mit dem Auto läuft übrigens technisch alles glatt bisher. Mit deutlich mehr Aufmerksamkeit und Flexibilität als in Deutschland meistern wir auch die Verkehrssituationen auf Dar’s Straßen. Die „Meisterprüfung“ war die Überquerung einer stark befahrenen Kreuzung mit ausgefallener Ampel ohne Polizisten!

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Freie Zeit und eine zweite Chance

Die Tage, an denen wir nicht zum Campus fahren, verbringen wir oftmals zu Hause in unserer schönen Wohnung und im Pool. Eine so intensive Familienzeit zu dritt werden wir in Zukunft wohl nicht mehr haben. Außerdem haben wir versucht, Dar eine zweite Chance zu geben und doch noch „schöne“ Ecken zu entdecken. Tatsächlich waren wir dabei erfolgreich!

Im etwas nobleren Stadtteil „Masaki“ befinden sich mehrere angenehme Orte zum Verweilen, Spazieren und Einkaufen. Einer dieser Orte nennt sich „Slipway“ und hier haben wir ein interessantes geschichtliches Detail erfahren: Die Einwohner von Dar sehnten sich in den 1980er Jahren nach einer netten Uferpromenade (sieh an, sieh an…). Da aber die Kivukoni-Waterfront im Zentrum der Stadt (da wo es nicht so „nett“ ist…) bereits durch den motorisierten Verkehr unattraktiv geworden war, suchten sie nach Alternativen. So entstand im Stadtteil Masaki neben einer kleinen Werft (–> Slipway) ein Einkaufszentrum, Restaurants und eine kleine Promenade mit einem Fähranleger.

Weiterhin haben es uns ein Beachclub im Best Western Hotel und das Sea Cliff Village an der Nordspitze der Masaki-Halbinsel angetan. Für einen angemessenen Preis (immerhin gehobene Hotels!) kann man dort entspannt einen Cappuccino genießen und Magnus Bewegungsdrang freien Lauf lassen, ohne dass man sich allzu viele Sorgen machen muss.

Neulich haben wir einen tollen Ausflug in den „Kunduchi Wet `n` Wild“ Wasserpark gemacht. Etwas Abkühlung tat auch Not, denn in den letzten Wochen wurde es immer heißer und heißer. Eigentlich begann Anfang November die „kleine Regenzeit“, aber die ist scheinbar soo klein, dass es nur maximal einmal in der Woche kurz und heftig regnet. Dann kühlt es auch angenehm ab, aber ansonsten ist es beinahe unerträglich um die Mittagszeit herum die schattigen Plätzchen zu verlassen.

Etwa eine halbe Stunde nördlich von uns befindet sich also dieser tolle Wasserpark mit dutzenden Rutschen, Spaßbecken, Kiosken, einer „Fun Zone“ und einer Go-Kart-Bahn nebenan! Es war gegen 10 Uhr noch bewölkt (gut für uns!), als wir an einem Dienstag den Park als bis einzige (!) Besucher betreten. Im Laufe des Tages erhöhte sich die Zahl dann auf vier Familien. Na ja, es war ja auch Dienstag… Mit einem großen Schwimmreifen hatten wir eine Menge Spaß beim Rutschen und „durch die Gegend treiben“. Auch Magnus hatte sichtlich Freude am und im Wasser. Allerdings war an vielen Stellen erhöhte Vorsicht geboten, denn rostige Schrauben und scharfe Kanten lauerten überall in den Becken und an den Rutschen. Leider gingen auch einige von ihnen, die wir gerne ausprobiert hätten, nicht. Gelohnt hat es sich trotzdem und es war sicherlich nicht unser letzter Besuch hier.

Besonderes Highlight war der ca. 25 m hohe Turm, von dem die Rutschen abgingen. Von ganz oben hatte man einen tollen Ausblick über das Umland, die Skyline von Dar in der Ferne und den Strand mit dem blauen Meer. Von hier erblickten wir auch ein großes Schiffswrack, welches bedrohlich am Strand lag. Benjamin ist immer sofort fasziniert von solchen „Orten“ und wollte unbedingt noch näher dorthin. Aber die Erkundung verschieben wir auf einen nächsten Besuch hier. Eine kurze Recherche ergab, dass das Wrack ein über 100 m langer stillgelegter Frachter (Bj. 1979) ist, der hier 2013 auf den Strand gesetzt wurde. Alle verwertbaren Teile wurden seitdem demontiert. Leider floss während der letzten Jahre auch eine Menge Öl ins Meer, was insbesondere die örtlichen Fischer, das Hotel direkt davor und die Meeresschützer des vorgelagerten Schutzgebietes enorm verärgerte. Lokalpolitisch bleibt dieser Fall brisant und scheint noch nicht abgeschlossen zu sein. Die Vorgehensweise des Schiffseigentümers muss dabei eine ähnliche gewesen sein, wie wir es von den großen Schiffsfriedhöfen an Indiens Stränden kennen: altes Schiff aufgeben, irgendwo stranden lassen und die „Entsorgung“ irgendjemandem überlassen.

Soweit so gut, bzw. schlecht. Das soll es für diese Wochen gewesen sein. Wir melden uns in der tropischen Adventszeit wieder!

06.11.2017

Abkürzungen und Erklärungen

Wir haben uns gedacht, dass es sinnvoll sein könnte, eine kleine Auflistung von Abkürzungen und erklärungsbedürftigen Begriffen voranzustellen:

  • Dar – Dar es Salaam
  • UDSM – University of Dar es Salaam
  • OE – Orientierungseinheit, erste Woche in der Uni
  • DART – Dar es Salaam Rapid Transit, ein neues Schnellbusnetz, um den täglichen Rush-Hour-Stillstand zu reduzieren
  • Dala-dala – Kleinbusse, die die Hauptlast des ÖPNV tragen
  • Bajaji – motorisierte Dreiräder (ähnlich den tuk-tuks in Thailand), dienen dem Kurzstrecken-Transport von Personen
  • Piki-piki – Mitfahrgelegenheit auf einem Motorrad (nur eine Person), oft die schnellste Art um von A nach B zu kommen
  • TAZARA – Tanzania-Zambia Railways
  • Tsh – Tansanische Shilling (aktueller Kurs etwa 1 € = 2.650 Tsh)
  • Weiß(e) und Schwarz(e) – „[…] bezeichnen politische und soziale Konstruktionen und sind nicht als biologische Eigenschaften zu verstehen. Sie beschreiben nicht Hautfarben von Menschen, sondern ihre Position als diskriminierte oder privilegierte Menschen in einer durch Rassismus geprägten Gesellschaft […]“ (zitiert aus „Mit kolonialen Grüßen“, S. 10, ebenfalls ist dort die Erklärung komplett nachzulesen)

Nun sind schon fast sieben Wochen seit unserem Abflug aus Hamburg vergangen und es wird Zeit, diese Wochen rückblickend zu betrachten.

Wie alles begann 🙂

Mit ziemlich viel Vorfreude und einer kleinen Prise Sorge im Gepäck bestiegen wir am 17. September unser Flugzeug Richtung Zürich und von dort weiter nach Dar es Salaam. Warum Sorge? Denn eigentlich waren wir für unsere Verhältnisse dieses Mal sehr gut vorbereitet! Sogar unsere Unterkunft in Baba Sooris Haus hatten wir über Kontakte schon angemietet.

Nun ja, zum einen waren wir noch nie zuvor in einem afrikanischen Land und woher sollten wir wissen was uns erwarten wird?

Und zum anderen begleiteten uns besorgte Fragen zu Magnus und unser aller Gesundheit. Wie wird er das Klima vertragen? Wie schützen wir uns am besten vor Mückenstichen? Wird er genug Freiräume für Bewegung und Aktivitäten haben? Usw.…

Nach der Ankunft am Flughafen und einem kurzen Anruf bei Baba Soori brachte uns ein Taxi in die Gegend um das Ubungo-Busterminal, wo unser angemietetes Haus auf Baba Sooris Grundstück lag. Wir freuten uns über den freundlichen Empfang so spät abends (es muss gegen Mitternacht gewesen sein) und über ein Bett mit Mückennetz. Jetzt hieß es erstmal Schlafen! Um alles andere wollten wir uns am Tag darauf kümmern.

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Unsere erste Unterkunft – Baba Sooris Haus

Doch die Nächte in den Regionen um den Äquator enden meistens mit dem Sonnenaufgang zwischen 6 und 7 Uhr morgens… und daran halten sich besonders Hähne sehr genau. Denn ein Umstand an unserer neuen Bleibe hat uns etwas verwirrt: es gab keine Glasfensterscheiben, sondern nur Stahlgitter und Fliegennetze vor den Fenstern. Jedes Geräusch draußen drang folglich ungedämpft auch ins Innere des Hauses. Und von Geräuschen aller Art sollte es in den nächsten Wochen noch etliche geben.

Die folgenden Tage verbrachten wir mit Tätigkeiten, die man mit den Wörtern „Einleben“ oder „Eingewöhnen“ umschreiben könnte. Wir erkundeten die nähere Umgebung, lernten die ersten Wörter Swahili, machten Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsanbindungen ausfindig und richteten uns im Haus ein. So bekam Magnus eine Spiel-Ecke mit Matratzen und „Klettermöglichkeiten“ und wir probierten das neue Schnellbussystem DART aus, mit dem man innerhalb einer halben Stunde das Zentrum von Dar erreichen kann. Auf den ersten Blick konnte uns das Zentrum noch nicht überzeugen. Vielleicht liegt es daran, dass Dar ein (aus unserer Perspektive) „attraktives“ Zentrum einfach fehlt. Vielleicht haben wir diese attraktiven Ecken auch nur noch nicht gefunden. Doch was macht unserer Meinung nach eine Stadt überhaupt attraktiv?

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Eine Station des DART

Nach einem kleinen Brainstorming sind uns folgende Aspekte eingefallen (über Ergänzungen der Leserschaft freuen wir uns in den Kommentaren!):

  • Parks und Grünflächen, die zum Ausruhen und Picknick einladen und dazu noch halbwegs „sicher“ wirken
  • Große Freiflächen innerhalb der Stadt, die einem das Gefühl von „Weite“ geben (zentraler Marktplatz o.ä.)
  • Cafés und Restaurants, in denen man sich vom Lärm und Trubel der Stadt zurückziehen kann
  • Uferpromenaden wahlweise am Meer oder Fluss
  • Eine halbwegs stimmige und (je nach Geschmack) ansehnliche Architektur

Leider erfüllt Dar keinen dieser Punkte 😦 und viele Leute mit denen wir über die Stadt gesprochen haben, sehen das genauso. Aber jeder und jede sollte sich besser selbst ein Bild machen. Der Reiz mancher Städte liegt auch im Verborgenen…

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Im Zentrum von Dar es Salaam

Einen anderen Tag haben wir uns den Uni-Campus das erste Mal angeschaut und uns beim International Office blicken lassen. Die Fakultäten liegen hübsch verteilt zwischen sanften Hügeln, die von schattenspendenden hohen Bäumen bewachsen sind. Die Luft ist frischer als anderswo in der Stadt und von den Hügeln hat man einen schönen Blick über die Dunstglocke von Dar. Unsere erste Unterkunft lag im Übrigen einen 20-minütigen Fußmarsch von der Uni entfernt, was ein ausschlaggebendes Argument für die Anmietung war. Nach dem Besuch im International Office sollte unsere Hauptaufgabe für die nächsten Wochen das Sammeln von allerlei Unterlagen und Dokumenten für eine „Residence Permit“ werden, die für Studierende zwar verpflichtend ist, aber auch einige Vorteile mit sich bringt. So bezahlt man als „Resident“ für die Fähre von Dar nach Sansibar beispielsweise nur noch 25.000 Tsh anstelle von 35 US$ , was in etwa einem Drittel des Preises entspricht.

Flitterwochen mit Höhen und Tiefen

Nach drei Tagen Dar war es für uns höchste Zeit nach Sansibar aufzubrechen, um den ersten Teil unserer Flitterwochen nachzuholen (das ist auch der wahre Grund dafür, dass wir schon ein paar Wochen vor dem eigentlichen Semesterstart angereist sind 😉 )! Mit einer Schnellfähre erreicht man Sansibar-Stadt innerhalb von 90 Minuten, was uns besonders in den ersten Wochen sehr geholfen hat „anzukommen“. Es tut gut zu wissen, dass wir notfalls ein Wochenende „Urlaub“ einschieben könnten, falls es mal nicht so gut laufen sollte. Mit das Beste an Sansibar ist übrigens, dass die Malaria hier ausgerottet wurde und man somit zumindest eine Woche lang eine Sorge weniger hatte.

Die Orte Jambiani an der Südostküste der Insel mit strahlend weißem Sandstrand, starken Gezeiten und einer Menge Ruhe, sowie Nungwi an der Nordspitze mit einer Schildkröten-Aufzuchtstation, Dhow-Werften und ein bisschen mehr Trubel waren zwei perfekte Flecken Erde zum Entspannen und Genießen.  Auch Magnus freundete sich schnell mit Sandstrand und Meerwasser an. Ganz besonders hatten es ihm jedoch die Pools der Unterkünfte angetan.

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Vater und Sohn
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Ebbe in Jambiani

Unser kulturelles Programm umfasste ausgedehnte Spaziergänge auf Stone Towns Straßen und engen Gassen, die uns durch allerlei historische Bebauung aus unterschiedlichen Epochen und Kulturkreisen führten. Durch ihre Lage war die Insel Sansibar über Jahrhunderte ein wichtiger Handelsplatz im Indischen Ozean. Portugiesische Seefahrer, indische Geschäftsleute, chinesische Händler und die Sultane aus Oman ließen sich hier nieder, um mit den afrikanischen Herrschern auf dem Festland Waren und Ideen auszutauschen. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass Sansibar bis ins 20. Jahrhundert hinein ein Umschlagplatz für versklavte Menschen war, die in der Insel keineswegs ein tropisches Strandparadies sahen.

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In den Straßen von Stone Town
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Stone Town

Nach einer Woche kehrten wir zurück, um bald darauf den zweiten Teil der Flitterwochen zu starten: Eisenbahn fahren! (Menschen, die uns schon länger kennen, wissen, dass der erste Teil Antonias und der zweite Teil Benjamins Idee gewesen sein könnte…)

Die Auswahl an Bahnstrecken ist in Tansania etwas beschränkt, was wir sehr bedauern. Die Central Line verbindet Dar mit Kigoma am Tanganjika-See und führt quer durchs Inland. Diese Strecke wurde unter deutscher Kolonialherrschaft kurz vor dem Ersten Weltkrieg fertiggestellt. Viele afrikanische Zwangsarbeiter kamen bei diesem strapaziösen Bauvorhaben ums Leben.

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Ein Überblick über das Eisenbahnnetz von Tansania – derzeit werden nur die Central Line sowie die TAZARA Line mit Personenverkehr bedient

Die TAZARA-Linie führt ebenfalls von Dar durch den Südwesten des Landes nach Sambia und ist ebenfalls politisch-geschichtlich von Bedeutung: In den 1970er Jahren konstruierten die Chinesen (kommunistische Regierung) diese Strecke, um Rohstoffe aus Tansania und Sambia (politische Gesinnung damals auch eher sozialistisch orientiert) besser und unabhängiger von Südafrikanischen Häfen (damals Apartheitsregime, eher „westlich“ orientiert) exportieren zu können.

Aber genug Geschichte. Unser Vorhaben war eine Art Rundtour, bei der wir mit der Central Line ins Inland fahren, mit Bussen die Distanz zur südlichen Strecke überwinden und mit dieser dann zurück nach Dar fahren wollten.

Doch wollte in diesen 10 Tagen kaum Flitterwochen-Feeling aufkommen. Das hatte mehrere Gründe.

Mit Baby unterwegs zu sein ist in vielen Bereichen „anders“. Auf unseren früheren Reisen hätten uns stundenlange Zug-Verspätungen kaum gestört und wir hätten die Zeit an Bahnhöfen gut mit Essen oder Lesen verbracht. Doch unser kleiner, mitreisender Kollege mag es überhaupt nicht, wenn er „nur warten“ soll. Leider sind Bahnsteige (und später auch Busbahnhöfe) keine guten Orte, um Herumzukrabbeln und sich allerlei Dinge auf dem Boden in den Mund zu stecken. Somit ist uns klargeworden, dass in den nächsten Monaten diese Art des Reisens nicht zu unseren Favoriten gehören würde.

Spät in der Nacht erreichten wir auf unserer ersten Zugfahrt endlich die Stadt Morogoro, von wo aus es nun mit Überlandbussen nach Westen weitergehen sollte. Und hier folgt der zweite Grund des Flitterwochen-Blues: Busfahrten über drei Stunden Länge sind ebenfalls kein Spaß für Magnus… –> Stichwort: Bewegungsdrang.

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Verfallene Bahnanlagen in Morogoro

Drittens (und damit soll die Jammerei auch enden) waren wir uns sicher, dass Magnus unseren Stress spürte und darauf ebenfalls mit Stress reagierte. Zudem haben wir fast jede Nacht in einer anderen Unterkunft in unterschiedlichen Orten übernachtet (nichts war vorher gebucht oder geplant), was sicherlich nicht gerade zur Entspannung beitrug.

Dennoch hatten wir auch schöne Momente und interessante Erlebnisse. So wanderten wir in Morogoro zu einer alten Boma (Fort oder befestigtes Haus, errichtet meistens in deutscher Kolonialzeit zur Überwachung der Gegend), verbrachten einen ruhigen Tag im angenehmen Ort Iringa und genossen den Blick ins Tal von einer alten Kaffeeplantagen-Lodge bei Mbeya.

All diesen Orten ist gemein, dass sie unmittelbar mit Kolonialgeschichte zu tun haben. Besonders bei der Kaffeeplantage hatten wir abseits des zugegeben leckeren Kaffees und der netten Aussicht ein sehr seltsames, fast schon beschämendes Gefühl im Bauch. Die Besitzer der Farm waren Weiße (US-Amerikaner) und alle sonstigen Angestellten einheimische Tansanier. So kam es zu der für uns unangenehmen Situation, dass wir auf der Veranda der Lodge saßen, uns mit der Besitzerin unterhielten und uns von Schwarzen Angestellten Kaffee einschenken ließen. Vor uns, etwas unterhalb, reinigte der (Schwarze) Pool-Boy den Pool und Gärtner kümmerten sich um die Pflanzen. Genauso hätte die Szene auch vor 100 Jahren aussehen können.

Ein Patentrezept für den adäquaten Umgang mit kolonialem Erbe scheint es nicht zu geben…

Unsere Rückfahrt mit der TAZARA-Eisenbahn verzögerte sich aufgrund einer Entgleisung eines Güterzuges auf der Strecke um drei Tage, da Personenzüge Richtung Dar nur zweimal die Woche abfahren. Dafür war diese Bahnfahrt doch etwas Besonderes. Nicht nur, dass sie 26 Stunden dauern sollte und wir durch einen Glücksfall Betten in zwei 6er-Abteilen (strikte Geschlechtertrennung!) bekommen haben, nein, auch dass wir bei Tag das Selous Wildlife Reservat durchquerten und aus dem Zug heraus ein paar Löwen und Giraffen zu Gesicht bekommen haben! Am Ende waren wir erleichtert darüber sicher wieder in unserem Haus angekommen zu sein, wo schon die nächste schwierige Entscheidung vor uns stand: Umzug. Wann und wohin?

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Nun aber wirklich ankommen!

Schon eine gute Woche zuvor hatte uns unser Vermieter Baba Soori darüber informiert, dass bald schwerwiegende Bauarbeiten direkt vor unserer Haustür stattfinden sollten. Im Zuge von Straßenbaumaßnahmen hatte die Stadtverwaltung von Dar beschlossen, eine Verbindungsstraße vom Ubungo-Busterminal zu einer weiteren wichtigen Hauptstraße zu bauen. Dafür müssen jetzt etliche Häuser in Eigenregie von den Besitzern innerhalb von 30 Tagen zurückgebaut werden, da sonst die Bagger alles einebnen werden! Konsequenz daraus wäre Baulärm und nach Fertigstellung der Straße enorm lauter und schmutziger Busverkehr vor unserer Nase. Das wollten wir Magnus‘ und auch unserer Gesundheit auf Dauer nicht antun. Die Nähe zur Uni und die gute Verkehrsanbindung erschienen uns nun doch nicht mehr so wichtig wie Gesundheit und „Lebensqualität“.

Nach unserer Rückkehr von der „Zugreise“ machten wir uns also auf die Suche nach einer neuen Bleibe und teilten Baba Soori schweren Herzen mit, dass wir aufgrund der geänderten Umstände ausziehen werden.

Zum Glück ging alles ganz schnell und nur vier Tage später konnten wir eine neue Wohnung mit Glasfenstern 😉 beziehen. Sogar einen Pool und ein Fitnessstudio steht allen Bewohnern der umzäunten und gesicherten Wohnanlage zu. Und alles in allem zahlen wir jetzt sogar weniger als vorher.

An dieser Stelle könnten wir ein paar Sätze zur regen Bautätigkeit in Dar einfügen. Sowohl der Neubau einer Straße als auch der Umstand, dass wir sehr schnell und günstig an eine neue Wohnung gekommen sind, hat damit zu tun, dass Dar wächst und wächst! Zurzeit leben hier etwa 5 Millionen Menschen, doch, so wird es prognostiziert, wird die Stadt in den nächsten Jahren zur Mega-City werden, was mindestens 10 Millionen Einwohner bedeuten würde. Besonders chinesische Firmen und Investoren treiben mit kräftiger Unterstützung der tansanischen Regierung den Bau-Boom voran.

So muss erst mit breiteren und neuen Straßen der Verkehr wieder zum Fließen gebracht werden, damit die Menschen überhaupt zu all den Hochhaus-Rohbauten hinkommen können, in denen massenhaft Büros, Läden und Wohnungen entstehen. So die Idee… Wir zumindest haben vom Bau-Boom jedenfalls profitiert.

Mitte Oktober und mitten in den Umzug hinein kündigte sich unser erster Besuch an! Antonias Bruder Konstantin und seine Freundin Diane reisten aus England an, um hier Zeit mit uns zu verbringen und sich Tansania genauer anzuschauen. Ganz an die Bedürfnisse „wohlhabenderer 2-Wochen-Urlauber“ angepasst, gab es dieses Mal einen privaten Shuttleservice und eine etwas schickere Unterkunft im Mikumi Nationalpark, wo sich bei der besagten Safari vor allem Giraffen, Zebras, Elefanten und Löwen aus nächster Nähe bewundern ließen. Dazu liefen uns es jede Menge Impalas, Warzenschweine, Gnus, Büffel, Nilpferde und ein Krokodil sprichwörtlich über den Weg.

Einen zweiten Tag verbrachten wir im Udzungwa Nationalpark, wo uns ein 8 km langer Wanderpfad zum 180 m hohen Sanje-Wasserfall führte. Dort, wo das Wasser in die Tiefe stürzte, gaben die Bäume einen atemberaubenden Blick über das weite Land frei!

So langsam kam bei „besorgten“ Freunden und Verwandten die Frage auf, wann denn endlich unser Studium losgehen würde.

Keine Sorge, jetzt geht es los! Am 30.10. startete die OE. Nebenbei erwähnt mit 4 (!) Wochen Verspätung zum zunächst angegebenen Datum. Diese Info kam aber erst, als alle Flüge gebucht und die Wohnung in Hamburg schon untervermietet worden war. Dementsprechend ist unser Rückflug auch VOR dem offiziellen Semesterende. Mal sehen, wie wir das lösen.

Der erste Tag der OE diente zur allgemeinen Begrüßung der internationalen Studierenden und zur Information zu Themen wie Sicherheit („Don’t trust anybody“ – Originalzitat des Uni-Polizeioffiziers in seinem Vortrag zur Vorbeugung von Straftaten auf dem Campus), Hilfe bei Problemen und der Anmeldung im uni-internen IT-System. Auffällig ist die Zusammensetzung der „Internationals“. Sie besteht zu einem Drittel aus Deutschen. Das andere Drittel sind Chinesen und das letzte Drittel setzt sich aus Ghanaern, Ugandern und Japanern zusammen. Wir erklären uns das folgendermaßen: Viel deutsche Studierende sind vorwiegend wegen der gemeinsamen kolonialen Vergangenheit und wegen traditionell enger „Entwicklungszusammenarbeit“ hier, während die große Gruppe der Chinesen hauptsächlich Swahili studiert und wohl an die intensiven wirtschaftlichen Kontakte beider Länder anknüpfen will (nur Vermutung!). Dann folgten zwei Tage an denen nur organisatorische Dinge für die Studis anstanden, die erst vor Kurzem hier eingetroffen waren.

Das betraf folglich nicht uns und so hatten wir Zeit uns um unseren zweiten Besuch zu kümmern: Julia aus Oxford/ex-Hamburg! Wir beherbergten sie zwei Tage lang und führten sie vorsichtig an die Stadt heran (siehe Punkt „Attraktivität“ weiter oben), bevor sie nach Sansibar und Arusha entfloh.

Ebenfalls in dieser Woche trafen wir eine weitere wichtige Entscheidung: Auto kaufen – ja oder nein?

Wie bereits erwähnt, wohnen wir nun weiter weg von der Uni und die Anbindung mit den dala-dala ist auf Dauer nicht zweckmäßig. Um auch neben der Uni für Ausflüge flexibel und mobil zu bleiben und Magnus nicht jeden Tag vollgestopfte Busse in der Rush Hour antun zu müssen, suchten wir im Internet nach einem günstigen Auto. Ein 1995er Suzuki Jimny hatte es uns angetan und so schauten wir uns den kleinen Geländewagen gleich mal an. Auch Joseph, der Besitzer, erschien uns sehr korrekt und fair und so waren wir am nächsten Tag stolze Eigentümer dieses etwas heruntergekommenen Wagens. Auch der Motor hatte zunächst so seine Probleme, aber mithilfe von Joseph und seinem vertrauensvollen Mechaniker schnurrt er wieder einwandfrei. Ein Autokauf in Tansania hat uns Einblicke in das alltägliche Leben hier gegeben, die wir als Touristen wohl nicht bekommen hätten.

Wie melde ich ein Auto überhaupt an? (gar nicht, es ist immer noch über den Vor-vor-Besitzer angemeldet)

Muss ich das Nummernschild wechseln? (nein, die Nummernschilder bleiben ein Autoleben gleich)

Wie bin ich versichert? (ganz einfach meine Kontaktdetails auf die Versichertenkarte des Vor-vor-Besitzers geschrieben, kurzer Termin bei der Versicherung, fertig)

Wie sieht ein vertrauensvoller Automechaniker aus? (keine Ahnung, vertrau den Einheimischen) –> „Don‘t trust anybody!!!“ Übrigens ganz schön fies von dem oben zitierten Polizeioffizier der Uni, wo wir doch gerade angefangen hatten den Menschen hier zu vertrauen…

Die Fragen die von Daheimgebliebenen wahrscheinlich als erste kommen könnten, wenn sie „Auto kaufen in Tansania“ hören, werden wohl die „Gefährlichkeit“ und das „Chaos“ des Straßenverkehrs betreffen. – Nach einer Woche Fahrerei lässt sich feststellen: So schlimm wie viele es sich vorstellen ist es nicht, an den Linksverkehr gewöhnt man sich schnell und in manchen Situationen ist es angebracht, sich an die Verhaltensweise der Einheimischen zu halten (Details werden hier nicht beschrieben 😉 ).

Am letzten Tag der OE haben wir mit allen „Internationals“ die Stadt Bagamoyo besucht. Wieder ein kolonialer Erinnerungsort… Bagamoyo war einst ein wichtiger Handelsplatz (u.a. auch für tausende versklavte Menschen aus Zentralafrika) und ab 1888 die erste Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika, bis diese bereits nach drei Jahren nach Dar es Salaam verlegt wurde, weil dort die großen Dampfschiffe besser anlegen konnten. Daraufhin verfiel Bagamoyo in den folgenden Jahrzehnten und lebt heutzutage einerseits vom Fischfang und andererseits von Touristen, die sich die verfallenen Kolonialbauten (Fort, deutscher Friedhof, Boma, Zollhaus) anschauen wollen. Eine geführte Tour durch die Stadt brachte vor allem aus historischer Sicht sehr interessante Erkenntnisse mit sich, denn der einheimische Guide sprach viel aus seiner eigenen Perspektive und schaffte es, uns zum Nachdenken über bestimmte Erzählweisen und Begrifflichkeiten zu bewegen.

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Ausflug mit den internationalen Studierenden nach Bagamoyo

So startet heute die zweite Uniwoche mit den ersten Seminaren und Vorlesungen. Wir fühlen uns gut vorbereitet, haben uns schon die passenden und interessanten Veranstaltungen ausgewählt und einen fahrbaren Untersatz um zügig den Campus zu erreichen. Es kann eigentlich nichts schiefgehen 😉 „Eigentlich“… Wir werden sehen…

Bis zum nächsten Bericht aus Dar es Salaam!

29.10.2017

Vorwort

Tja, nach drei Jahren ist es endlich mal wieder soweit! Es gibt einen Grund einen neuen Blog zu beginnen! Wir gehen nach Tansania! und weil sich in den letzten zwei Jahren in unserem Leben viel getan hat, folgen hier zunächst ein paar einleitende Bemerkungen.

Zum einen dürfen wir („wir“ in der Folge = Antonia und Benjamin) verkünden, dass wir im Jahr 2016 geheiratet haben. Zum anderen sind wir seit Februar 2017 nicht mehr nur zu zweit! Die Geburt unseres Sohnes Magnus hat auch dafür gesorgt, dass unser Auslandssemester um ein halbes Jahr nach hinten verschoben werden musste und deshalb erst im September starten konnte. Den zahlreichen Vorbereitungen und Planungen hat dieser Umstand aber eher gut getan 😉

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Magnus‘ Taufe vor der Abreise in Hamburg – seit 2010 verbindet Dar es Salaam und Hamburg eine Städtepartnerschaft

Neben den familiären Veränderungen stellt uns der Auslandsaufenthalt in Tansania im Anbetracht unserer Studiengänge und der damit verbundenen Prägung vor große Herausforderungen.

Sowohl Antonia in ihrem Geographiestudium als auch Benjamin in der Geschichtswissenschaft bewegen sich in universitären Kreisen, die sich verstärkt oder hauptsächlich mit Fragen zu Globalisierung, Kolonialismus, Ressourcenkonflikten, Nord-Süd-Beziehungen und Rassismen beschäftigen. Somit stellt sich für uns als privilegierte Europäer schon vor Reiseantritt die Frage, wie wir mit unserem Auslandssemester in einem Land des sogenannten Globalen Südens (und hier insbesondere Afrika) umgehen sollen und wollen.

Denn im Rückblick auf unsere letzten Blogbeiträge zu Südostasien, in denen wir trotz Wachsamkeit gegenüber kolonial-rassistischen Stereotypen in das ein oder andere Fettnäpfchen getreten sind (was sowohl Bilder als auch Texte anging), ist besonders bei Ostafrika erhöhte Vorsicht geboten. Es geht hierbei um Berichte über Armut, Dreck, Umweltzerstörungen (ohne dabei den eigenen Lebensstil zu hinterfragen), die Kritik am Tourismus, obwohl man selber in dem Moment einer ist und das „Erstaunt/Überrascht sein“, wenn Abläufe und Organisationen in diesen Ländern entgegen der eigenen Erwartung doch gut funktionieren.

Neben den tatsächlichen Erlebnissen (die ja vielleicht wirklich zu bestimmten Zeitpunkten frustrierend, nervig oder gefährlich gewesen sein könnten) spielt die Berichterstattung in Form des Blogs (Texte und Bilder) eine zentrale Rolle. Welche Botschaft möchten wir der Leserschaft zu Hause vermitteln? Das Exotische? Das Ärmliche? Das Authentische?

Wir wollen in diesem Blog versuchen eben NICHT die klassischen, stereotypen Bilder von Afrika zu reproduzieren.

Wie schwer es aber ist, sich der eigenen strukturellen und kulturellen Prägung zu entledigen zeigen zwei Beispiele:

Bei den ersten Formulierungsversuchen zu unserer bisherigen Zeit hier in Tansania wollten wir uns über den maroden baulichen Zustand der Universitätsgebäude auslassen und haben uns angesichts dieses Zustandes gefragt, wo denn das ganze Geld aus den Studiengebühren hinfließt! Immerhin zahlen wir als Auslandsstudierende über 2000 $ pro Person pro Semester und die Einheimischen zahlen nicht unwesentlich weniger als wir, um zu studieren. Auf den ersten Blick scheint ein solcher Bericht nur eine „neutrale“ Beschreibung von Fakten zu sein, doch implizit transportieren wir dadurch ein bestimmtes Bild von Tansania nach Hause: „hier sind die Gebäude marode“ und „bestimmt handelt es sich bei der Sache mit dem Geld um Korruption“.

Auf beide Behauptungen könnte man folgendes erwidern:

Wir, als Studierende der Uni Hamburg, dürften uns am wenigsten über marode Bausubstanz beklagen (Stichwort: zwangsweiser Umzug des Philosophenturms in die City Nord, wegen mangelhaftem Brandschutz!). Warum heben wir die Baufälligkeit der Gebäude hervor? Zählt nicht vielmehr der Inhalt? Und würden wir bauliche Zustände im „westlichen“ Zusammenhang genauso thematisieren?

Ohne jegliches Wissen über die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse der University of Dar es Salaam (in der Folge: UDSM) haben wir die Korruptionsvermutung angestellt, bzw. in Erwägung gezogen, dass es so sein könnte. Aber wäre es auch möglich, dass die (potentielle) Unterfinanzierung der Uni vielleicht auch an ungleichen globalen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen liegt und somit in unserer direkten Verantwortung?

Wir stehen also vor einer schier unlösbaren Aufgabe, wenn man der überaus lesenswerten Broschüre von glokal.org folgt, die hier verlinkt ist (pdf kostenfrei).

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http://www.glokal.org/publikationen/mit-kolonialen-gruessen/

Nach nächtelangem Kopfzerbrechen sind wir nun kurz davor, diesen Blog überhaupt nicht fortzuführen! Denn einzig das Nicht-Schreiben, das Nicht-Zeigen (und vielleicht sogar das Nicht-Reisen?!) scheinen die angemessenste Art zu sein als Mensch des Globalen Nordens mit Aufenthalten im Globalen Süden umzugehen. Über letzteren Punkt haben wir in unserem Freundeskreis schon oft leidenschaftlich diskutiert und gestritten und wir persönlich sind zu dem Entschluss gekommen, dass der generelle Verzicht auf Reisen in Länder des Globalen Südens keine Lösung der Probleme darstellt. Aber diese Argumentation soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, denn sie würde wahrscheinlich einen eigenen Blog füllen.

Also endet der Blog hier bereits???

Nein, denn wir sind zu einem Konsens gekommen, der hoffentlich alle Gemüter (sowohl das Publikum zu Hause, als auch rassismuskritische/postkoloniale Aktivistinnen und Aktivisten) zufrieden stellen wird…

Hier nun unser Versuch:

Wir haben uns aus eigenem Willen und mit dem Privileg der individuellen Wahlfreiheit für dieses Auslandssemester in Dar es Salaam entschieden. Wir wollen also die Gratwanderung wagen, einerseits auf allzu viel unnötiges Gejammer, Gemecker und Beschweren zu verzichten, andererseits unsere Gefühlsbeschreibungen aber nicht zu unterdrücken oder zu zensieren.

Weiterhin wollen wir es so halten, Bilder, die bei der Google-Suche zu Tansania zahlreich zu finden sind, eher sparsam zu präsentieren.

Trotz anfänglicher Bedenken werden wir zwar eine Safari unternehmen, schöne Strände besuchen und uns den Kilimandscharo anschauen, doch möchten wir darauf hinweisen, dass Tansania nicht nur aus Serengeti, Sansibar und Kilimandscharo besteht. Muss wirklich das zehntausendste Bild von „Giraffe am Baum“, „idyllische Hütte am Strand“ oder „hier sehen wir den höchsten Berg Afrikas“ in unserem Blog auftauchen?

Wir denken, dass ein gesunder Mittelweg die Lösung sein kann. Mit all den oben genannten Themenpunkten im Hinterkopf wollen wir es uns erlauben, auch das ein oder andere Safari- oder Strandbild hochzuladen, denn dieses komplett zu ignorieren, wird dem Land und seinen Menschen (die ja auch durchaus „stolz“ auf ihre touristischen Attraktionen sein können und dürfen) nicht gerecht.

Und was ist überhaupt unser Erkenntnisinteresse? Warum machen wir das?

Tja, das ist schwierig zu beantworten.

Die ehrlichste Antwort wäre wohl: Weil wir Lust darauf haben, Freude am Reisen/neuen Erlebnissen haben, uns die nötigen Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung stehen und wir uns dadurch Vorteile in unseren akademischen Laufbahnen erhoffen.

Eine nicht weniger ehrliche, aber idealisierte Antwort wäre: Wir wollen einen Perspektivwechsel versuchen. Wie denken die Menschen hier (insbesondere in universitären Kreisen, denn das ist erst einmal unsere Möglichkeit) über Themenkomplexe wie „Globalisierung“, „Kolonialismus“, „Kapitalismus“ und „Entwicklungshilfe“? Wie sehen sie uns als Europäer und wie können zukünftige Nord-Süd-Beziehungen gerechter gestaltet werden (Stichwort: „auf Augenhöhe“)? Dazu müssten wir allerdings erstmal Swahili lernen (was uns bisher eher schwergefallen ist) und nicht ständig bemängeln, dass die Menschen hier so schlecht Englisch sprechen. Ein erster Schritt des Perspektivwechsels wäre also den „Mangel“ und die „Bedürftigkeit“ bei uns zu suchen und nicht umgekehrt.

Und zu guter Letzt sei noch gesagt, dass wir nicht als „Helfer“ oder „Entwicklungsexperten“ hergekommen sind, sondern als Studierende. Wir wollen hier niemandem „helfen“ oder irgendwelche Situationen nach „westlichen“ Vorstellungen „verschlimmbessern“. Wir wollen hier einfach ein Semester lang studieren.

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Die Skyline von Dar es Salaam

Bis zum ersten „richtigen“ Beitrag verbleiben wir mit „postkolonialen“ Grüßen,

Antonia und Benjamin

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